German Open 2006


Die diesjährigen German Open fanden am 16.09.2006 traditionell im Weserbergland-Stadion in Hameln statt. Ich hatte erneut die Ehre, für die Percussionwertung verantwortlich zu sein. Und über diese Wertung möchte ich hier berichten.

German Open 2006 aus der Sicht des Percussion Judges

Es versprach spannend zu werden. Während die ersten Contests der Saison 2006 von meinem Kollegen Timm Pieper gewertet wurden, sah und bewertete ich die Corps zum ersten Mal am 02.09.2006 in Gevelsberg, also nur 2 Wochen vor dem Finale. Dort lagen die Wölper Löwen mit 147 Punkten (Technik 70, Ausführung 77) knapp vor den Fidele Vogelsangern, die 142 Punkte hatten (73/69). Etwas weiter dahinter lagen die Starriders mit 134 Punkten (69/65).

Es hatten also wohl die meisten (so auch ich) mit einem knappen Zweikampf (WL und FV) um die Percussion-Krone gerechnet. Aber der Reihe nach, der Abend war lang...

Den Anfang machten die Ministarrs als einziges Cadets-Corps. Mit einer ansprechenden Leistung holten sie 144 Punkte (70/74). In der Marching Band Klasse startete als einziges Corps The Devils aus Witzenhausen. Sie erreichten 100 Punkte (48/52) und hatten sich besonders in der Überzeugung und musikalischen Sicherheit (Ausführung) sehr stark verbessert.

Die Drum Corps Klasse wurde von den Red Stars eröffnet, gefolgt von Stormarn Magic und Blue Bandits. Diese drei Corps lagen sehr eng beisammen, was sich auch in der Punktevergabe ausdrückte. Die Red Stars konnten sich vor allem aufgrund der besseren Technik knapp mit 113 Punkten (58/55) behaupten, dicht gefolgt von den gleichplatzierten Verfolgern, die beide 112 Punkte erreichten.

Die Showband Rastede konnte sich gegenüber dem Vorjahr punktemäßig verbessern, musste sich aber mit 93 Punkten (45/48) und dem 7. Platz begnügen.

Nun kam es zum Duell der diesjährigen "Großen Drei".

Fidele Vogelsanger hatten die beste Snareline des Abends, konnte aber insgesamt in der Ausführung nur weniger Punkte ernten als noch beim Heimcontest 2 Wochen zuvor. Die Performance wirkte wesentlich unsicherer, Unkonzentriertheiten schlichen sich ein. Es reichte daher leider nur für den 3. Platz, allerdings mit einem erheblichen Abstand zu den Viertplazierten und mit insgesamt 140 Punkten (74/66).

Dann betraten die Titelverteidiger des Vorjahres Starriders das Feld. Sie beeindruckten mit einer völlig anderen Leistung als noch in Gevelsberg. Besonders die Bass Drums und die sehr starke Pit verhalfen den Starriders zu einer wesentlich höheren Punktzahl als noch beim letzten Contest, nämlich 150 Punkte (75/75). Zwar konnte die sehr hohe Punktzahl des Vorjahres (85/81) nicht wiederholt werden, doch wurden in der Technik im Vergleich zum Gevelsberg-Contest 6 Punkte, in der Ausführung sogar 10 Punkte oben drauf gelegt, was vor allem daran lag, dass die Gruppe wie ausgewechselt schien, ein sehr hohes technisches Level zeigte und dabei sehr viel Selbstvertrauen demonstrierte.

Jetzt ging es um alles. Die Favoriten Wölper Löwen hatten in allen vorangegangenen Contest die höchste Percussion-Punktzahl erreicht. Dafür hatten die Starriders gerade eben ein wahres Feuerwerk abgebrannt. Der direkte Vergleich musste also entscheiden. Nicht zuletzt die stärkste Multi-Tenor Section des Abends verhalf den Wölper Löwen zwar zu einer leichten Steigerung der Technik-Punktzahl auf 72 gegenüber 70 beim Gevelsberg-Contest. Allerdings konnte ich ihnen in dieser Sub-Caption nur den 3. Platz des Abends vergeben (Fidele Vogelsanger 74). Bei der Ausführungspunktzahl konnte ich nicht so viele Punkte vergeben, wie noch beim Gevelsberg-Contest, da waren es noch 77. Aber wieviel weniger führt zu einer gerechten Punktzahl? Aufgrund des direkten Vergleichs musste ich den Wölper Löwen mit 74 Punkten hier weniger geben als den Starriders, die 75 erhielten. Damit stand dann die Gesamtpunktzahl für die Wölper Löwen mit 146 fest (72/74).

Die Überraschung war also perfekt. Die Starriders verwiesen nach einem 3. Platz beim Gevelsberg-Contest die Konkurrenten beim deutschen Saisonfinale bei einem engen Kopf-an-Kopf Rennen auf die hinteren Plätze und erhielten erneut die Best Percussion Trophäe mit 150 Punkten vor den Wölper Löwen mit 146 Punkten und den Fidelen Vogelsangern mit 140 Punkten.

Natürlich waren die Starriders sehr glücklich, die Wölper Löwen enttäuscht und auch die Fidelen Vogelsanger hatten das gesteckte Ziel nicht erreicht. Aber es war ja auch sehr eng. Die Wertung in diesem Jahr war ungleich schwerer als in den Jahren zuvor. Es dominierte nicht eine Percussion-Gruppe insgesamt, vielmehr hatte jeder Verein zumindest eine Section, die besonders stark war (z.B. Snareline Fidele Vogelsanger, Quints Wölper Löwen, Pit Starriders). Hier die richtige Gewichtung zu finden fand ich persönlich sehr schwer. Es wäre vielleicht möglich gewesen, eine populärere Entscheidung zu fällen. So sehe ich aber meine Aufgabe nicht. Unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen habe ich die Punkte so vergeben, wie ich sie unter Anwendung all meines Fachwissens und meiner Erfahrung ermittelt habe.

Das ist es, was ich den Gruppen bieten kann. Nicht eine "richtige" Bewertung. Keine objektive Punktzahl. Nur eine faire Bewertung nach bestem Wissen und Gewissen.

Im Sinne einer möglichst fairen Bewertung versuche ich dabei Automatismen auszuschließen. Ganz abstrakt und nicht auf die Saison bezogen gilt bei meiner Bewertung allgemein: Nicht der Verein, der das ganze Jahr über vorne ist, gewinnt automatisch auch das Finale. Nicht der Verein, der sich von Contest zu Contest am meisten steigert, landet schließlich ganz vorne. Nicht der Verein mit dem größten Namen oder der größten Besetzung, oder der schönsten Uniform oder den coolsten Trommeln gewinnt. Nur die Gruppe, die am Tag X entsprechend den Kriterien des Regelwerks die beste Leistung von allen Teilnehmern liefert, gewinnt den Pokal. Nicht zuletzt entscheidet dabei natürlich auch die Tagesform. Ich meine, das unterscheidet eine fachliche Wertung von einem Publikumspreis.

Die Arbeit als Jury ist anstrengend aber schön. Was ich in der deutschen Szene mag (speziell bezogen auf Percussion) ist der faire Umgang zwischen den Spielern, Ausbildern und dem Judge. Emotionen sind natürlich immer da und der Erste freut sich immer mehr als der Zweite oder Dritte. Aber ich bin froh, dass es (anders als es wohl noch zu früheren Zeiten in Deutschland war) trotzdem ein sehr gutes Miteinander gibt, jedenfalls wenn der Ärger erstmal verraucht ist :-)

In diesem Sinne freue ich mich schon auf die Saison 2007!

Michael Ruthardt


© Michael Ruthardt 2006